Alle Jahre wieder gibt es am 31. Oktober Süßes oder Saures, und dazu gehört die Verbreitung folgender Legende: „Halloween geht auf ein altes keltisches Fest zurück.“ Nachdem sich diese fixe Vorstellung mittlerweile auf unzähligen Internetseiten findet und alljährlich in Printmedien und sogar Nachrichtensendungen wiederholt wird, ist es nicht verwunderlich, was die KI der Suchmaschine auf die Frage, ob Halloween keltisch ist, zu sagen hat: „Ja, die Wurzeln von Halloween liegen im keltischen Fest Samhain, das die Kelten am 31. Oktober feierten.“
Dann muss es ja wohl stimmen, oder?
Tut es nicht.
Halloween als Fest am Vorabend von Allerheiligen samt ausgehöhltem, als Lampe verwendetem Gemüse geht auf irische Einwanderer in die USA zurück. Schriftliche Belege von „Jack o´lantern“ als Rübe mit Grimasse stammen frühestens aus dem 17. Jahrhundert. In den USA wurde daraus der Kürbis, der dann samt Fest ab dem Ende des 20. Jahrhunderts wieder zurück nach Europa importiert wurde und mittlerweile ein Wirtschaftsfaktor ist.
Die Verbindung mit „dem Keltischen“ funktioniert über folgenden Gedankengang:
- Es gibt (christliche!) Schriftquellen zu einem frühmittelalterlichen irischen Fest namens Samhain. (Das Frühmittelalter ist in unseren Breiten die Zeit zwischen 500 und 1000 n. Chr.)
- Die Iren sind Kelten, das weiß schließlich jeder, und wenn die „früher“ sowas gefeiert haben, dann sicher auch „noch früher“ (nämlich in der Eisenzeit = in unseren Breiten die Zeit zwischen ca. 750 v. Chr. und Christi Geburt, also vor den Römern)
- Das, was bei uns vor den Römern rumgelaufen ist, waren auch Kelten (sagt die KI!)
- Also wenn Kelten Kelten sind, dann haben die „früher“ auch in Mitteleuropa Samhain gefeiert, und wenn wir Halloween feiern, machen wir das in alter keltischer Tradition.
Nein, denn:
Ethnische Bezeichnungen von frühmittelalterlichen oder eisenzeitlichen Gruppen sind methodisch extrem … tricky. Keine Schriftquellen, zu spät geschriebene Schriftquellen, in anderen Gegenden geschriebene Schriftquellen, nicht von den Leuten selbst geschriebene Schriftquellen. Ansonsten nur archäologische Funde, die bekanntlich meistens auf vielfältige Weise interpretiert werden können und uns nicht verraten, zu welchem „Volk“ die Menschen sich zugehörig gefühlt haben. Ob es gerechtfertigt ist, die vorrömische eisenzeitliche Bevölkerung Österreichs flächendeckend und zeitenübergreifend als „Kelten“ zu bezeichnen, ist Gegenstand intensiver Debatten und keineswegs geklärt.
Außerdem liegen zwischen dem Frühmittelalter und der Eisenzeit viele Jahrhunderte und zwischen Irland und Österreich viele Kilometer. In diesen großen (Zeit-)Räumen haben Dinge sich geändert. Wenn also Iren – ganz egal, ob es gerechtfertig ist, sie als „Kelten“ zu bezeichnen – im frühen Mittelalter in der Nacht vor dem 1. November Samhain gefeiert haben, bedeutet das nicht, dass das auch hierzulande geschah. Außerdem sagen die spärlichen Schriftquellen über Samhain nichts zu Totengedenken, was aber als Argument für die vermeintliche Verbindung zu unserem Allerheiligen/Allerseelen immer wieder behauptet wird.
Weil die Quellen so spärlich sind, haben wir außerdem ganz grundsätzlich keine Ahnung, welche Feste die Menschen in unseren Breiten in der Eisenzeit gefeiert haben. Astronomisch markierte Zeiten wie die Tagundnachtgleichen und Sonnenwenden werden die Menschen früher erkannt haben. Dafür sprechen auch berühmte Bauwerke wie Stonehenge, wo an bestimmten Tagen die Sonne über diesem oder jenem Stein aufgeht.
Aber Halloween ist nicht astronomisch markiert. Es steht einfach nur in unserem Kalender.
Es nützt nichts, alles mögliche angeblich „Keltische“ in den Hexenkessel reinzuwerfen und zu hoffen, dass zusammenpasst, was ständig wiederholt wird. Die Suppe bleibt dünn, die Interpretation vage.
Halloween ist nicht keltisch.
Trotzdem viel Spaß bei Trick or Treat.
P.S.: Danke, Theo, für das Bild von Deinem Katzen-Kürbis 🙂
